Die Fusion als Spiegelbild des Nationalstaates

r25d01
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Re: Die Fusion als Spiegelbild des Nationalstaates

Beitrag von r25d01 »

psychonautist hat geschrieben: Fr 1. Jun 2018, 19:57 Think out of the Box... Oder auch: Gefangen im System.
Die Fusion ist nämlich genau das Gegenteil vom Opium fürs Volk. Auch wenn sie für nicht wenige halt einfach ein etwas anderes Festival ist und die Leute hingehen, um mal abschalten zu wollen. Im Idealfall wird nämlich der Schalter umgelegt und damit das Dilemma beendet, dass das Entweder Oder beschreibt.
Bei mir hat's geklappt.



Schöne Diskussion bisher.

Für mich ist es ein großer Unterschied, nach welchem Kriterium Leute "drinnen" oder "draußen" sind. Auf der Fusion wird dies jedes Jahr aufs Neue durch das Losverfahren entschieden. Das ist doch eigentlich eine faire Sache. Über viele Jahre gesehen hat so jeder der möchte eine gleiche reelle Chance mal auf die Fusion fahren zu können. Und auf der anderen Seite muss auch jeder mal draußen bleiben, der gern fahren würde. Oder eben man beteiligt sich aktiv daran, dass die Fusion stattfinden kann. In einem Nationalstaat gilt das Recht der Privilegierten, das Recht der Geburt und des "Blutes".

Fortschritte, auch technischer Art, sind nicht allein dem Kapitalismus zuzuschreiben. Auch wenn man zugeben muss, dass der Kapitalismus durchaus gewisse wirtschaftliche Potenziale freisetzen kann und eine gewisse Flexibilität hat. Ein paar grundlegende Probleme wurden schon angesprochen. Aktuell kann man ja ganz gut beobachten, dass es eine Kapital- und damit Machtkonzentration gibt. Selbst während der letzten Krise (ab 2008) wurden die Reichen noch reicher während die Armen ärmer wurden. Die Menschen in Verantwortungspositionen standen nach der Krise nicht schlechter da als vorher. Das widerspricht selbst jedem liberalen Prinzip. Gewinne wurden und blieben privatisiert, Verluste wurden kollektiviert.

Sozialismus muss meiner Auffassung nach mit Demokratie einhergehen. Derlei Versuche hat es bisher so gut wie gar nicht gegeben. Es ist daher schwierig von der DDR oder der Sowjetunion oder sonstiges auf den Sozialismus im Allgemeinen zu schließen. Die meisten (klugen) Sozialisten würden wohl sagen, dass dies kein wirklicher Sozialismus gewesen sei, sondern Diktaturen.

Unabhängig von Begriffen wie Kapitalismus oder Sozialismus stehen wir vor großen Herasforderungen. Es brennt an vielen Ecken. Klimawandel, Kriege (inklusive Stellvertreterkriege wie in Syrien), ein Wirtschafts- und Finanzsystem das irgendwann wieder crashen wird, zunehmender Nationalismus und Autoritarismus. Und vieles mehr. Es liegt auf der Hand, dass diese Probleme etwas mit der Struktur unserer (globalen) Gesellschaft zu tun haben. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir uns fragen müssen, wie wir als Gesellschaft und auch als Weltgemeinschat miteinander leben wollen. Es gibt dazu (noch?) kein Patentrezept. Mit der Abschaffung eines Systems ist die Arbeit noch längst nicht getan. Wir müssen konkrete Alternativen entwickeln. Die Fusion ist ein Ort, die schon mal zeigt wo es hingehen kann. Wie die Menschen dort miteinander umgehen ist etwas besonderes. Und sie ist ein Ort, die dazu ermutigt Alternativen zu entwickeln, ein Ort, der inspiriert.

Offene Grenzen mögen ein hoch gestecktes Ziel sein. Aber was spricht dagegen das als ein Ziel zu formulieren? Nur weil man es nicht jederzeit erreichen kann, macht es das nicht wengier zu einem erstrebenswerten Ziel. Nur wer versucht, kann vielleicht irgendwann gewinnen. Das Streben nach Glück wird schließlich auch nicht unsinnig, bloß weil man merkt, dass man nie durchgehend glücklich ist. In der bewussten Akzeptanz dieses Paradoxes können Mittel und Wege gefunden werden. Für ein besseres, weil bewussteres Leben.
Narf
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Re: Die Fusion als Spiegelbild des Nationalstaates

Beitrag von Narf »

tanztanztanz hat geschrieben: Fr 1. Jun 2018, 13:04 Ich fühle mich also auch von Nazis bedroht und von der Antifa. Beide sind Feinde der Freiheit in meinen Augen.
@tanztanztanz

Wenn du dich von der Antifa bedroht fühlst möchtest du vielleicht lieber eine Veranstaltung besuchen, bei der du nicht verschiedene Antifa-Gruppen direkt mit deinem Geld unterstützt und die von den Veranstaltern seit jeher als Ferienkommunismus beworben wird. Aber ich gehe stark davon aus, dass das Bedrohungsgefühl dann doch nicht so stark ist, was mich tatsächlich für dich freut.

Du solltest dir aber bewusst sein, dass viele Menschen nicht das extreme Privileg genießen, sich durch Antifaschisten so bedroht zu fühlen wie durch Faschisten.

Was die Freiheit in deinen Augen angeht meinst du hier eigentlich DEINE Freiheit. Und auch das solltest du dir vielleicht versuchen bewusst zumachen. Freiheit kann nur subjektiv sein, da sie immer da an Grenzen stößt wo die Freiheit eines anderen anfängt. Konkret bedeutet es, dass du in deiner gutbürgerlichen weißen Sicht auf die Welt wesentlich weniger Freiheitseinschränkungen hinnehmen musst als Menschen die diese Privilegien nicht genießen. Und dann Angst davor zu haben vor Menschen, die gegen jene stehen die gerne alles was anders ist vernichten möchten, wirkt.... zumindest nicht sonderlich reflektiert.

Auch deine Verbindung von Sozialismus mit "der Antifa", (Die es lustigerweise tatsächlich nicht mal gibt, der Sammelbegriff bezeichnet Zusammenhänge voneinander unabhängiger, ideologisch extrem weit gefächerte Gruppen, die die sich hauptsächlich in dem breiten politischem Feld "Antifaschismus" betätigen. Diese Zusammenhänge haben, wenn überhaupt, nur partielle Überschneidungspunkte mit dem gesellschaftlichem Untersystem eines Riots, das in den Medien gerne als "schwarzer Block" übersimplifiziert wird. Den gibt es als Organisation tatsächlich auch nicht, daher bleibt mir einfach nur anzunehmen, dass du davon sprichst?) zeugt nicht unbedingt davon, dass du dich mit dem Thema sonderlich weitgehend auseinandergesetzt hast. Immerhin kannst du deine Meinung dazu, recht überzeugt von dieser, von dir geben. Gut für dich, bedeutet es doch meiner Erfahrung nach, dass deine Kontingenzbewältigung sehr effektiv ist.

Viel Spaß im Ferienkommunismus!
ilitsch
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Re: Die Fusion als Spiegelbild des Nationalstaates

Beitrag von ilitsch »

@ Narf: "Was die Freiheit in deinen Augen angeht meinst du hier eigentlich DEINE Freiheit. Und auch das solltest du dir vielleicht versuchen bewusst zumachen. Freiheit kann nur subjektiv sein, da sie immer da an Grenzen stößt wo die Freiheit eines anderen anfängt."

Das würde ich aber etwas anders sehen: Freiheit hat eine subjektive - Freiheit von etwas weg, z.B. Zwang oder Einschränkung - und eine objektive Komponente - Freiheit zu etwas hin, sagen wir mal vereinfacht eine Art individuelle Selbstverwirklichung, welche aber nur mit anderen gemeinsam zu machen ist, und zwar als Negation der subjektiven Freiheit, d.h. sich mal klar zu machen, das ein anderer Mensch nicht die Grenze der eigenen Freiheit markiert, sondern im Gegenteil unabdingbare Voraussetzung für die verwirklichung der eigenen Freiheit und der Freiheit des anderen ist. Gerade das mag ich an der Fusion.

Was mich direkt zum Punkt von Anni Pfani führt, an dem mich interessiert was passiert, wenn jemand diese Regeln bricht.

"Regeln sind grundsätzlich nichts Schlechtes, sie beschneiden dich nicht zwangsläufig in deiner Freiheit, sondern dienen dazu, dass du in einer Gruppe friedlich leben kannst und ordnen das Gemeinschaftsleben. Klar ist aber auch, je mehr Regeln, desto wahrscheinlicher, dass sie dich persönlich betreffen und auch beschneiden."

Unabhängig von anderen Punkten - wie z.B. der Frage, ob die Regeln von den Betroffenen bzw. ihr Unterworfenen dann auch beschlossen sein müssen, was so bei der fusion nicht geht - kommt es für mich aber dann, bei einem explizit links-emanzipatorischem Festival ganz entscheidend darauf an wie diese Regeln umgesetzt werden. Und hier würde ich ganz entscheidend dafür sein, das diese nicht - wie in vielen - auch oder vor allem linken Clubs - polizeilich-autoritär umgesetzt werden ja, in etwa das ein wie auch immer geartetes fehlverhalten sofort einen repressiven Zwang seitens der Gemeinschaft, oder ihrer Repräsentanten der Security zur Folge hat.

Denn wenn die Verwirklichung der eigenen Freiheit, die Freiheit des oder der Anderen ist, dann muss "man" sich klar machen, das einem auch ständig fehler oder regelverstöße unterlaufen, und eine repressiv-autoritäre reaktion darauf nicht dazu führt, einzusehen, warum die regel auch für mich - als regelverstoßenenden bspw. - und meine freiheit gut ist
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