Oberkörperfrei die Hundertste

moon
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

Beitrag von moon »

Nachtrag zu meinem Beitrag:
Ich hatte oben von "radikalen Splittergruppen" gesprochen, die die No-Shirt-No-Service-Policy vorantreiben. Mit "radikal" meinte ich insbesondere die ideologische Verbissenheit und Vehemenz in Forderung/Methode. Tatsächlich agieren diese Gruppen aber alles andere als politisch radikal (radix = Wurzel) - im Sinne dessen, dass das Problem an der Wurzel gepackt und gelöst wird. Vielmehr verharren sie mit ihrem Aktivismus auf einer rein symbolischen Ebene ("Zeichen setzen", "Solidarität zeigen", etc.), ohne dabei dem Ziel wirklicher Emanzipation auch nur einen Zentimeter näher zu kommen.

Manchmal frage ich mich etwas ketzerisch, ob die Zementierung/Stabilisierung des Status Quo manchen womöglich insgeheim sogar gelegen kommt, weil die Existenz des Problems an sich schlicht zu identitätsstiftend ist, um das Problem tatsächlich aus der Welt zu schaffen bzw. möglichen Fortschritt einzugestehen.
Rephlax
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

Beitrag von Rephlax »

ilitsch hat geschrieben: Do 4. Jul 2024, 13:08 Was ich im übrigen an dieser Debatte schon immer im wahrsten Sinne des Wortes als richtig traurig empfunden habe ist folgendes: "Keep your Shirt on" als Forderung verweist für mich indirekt auf die Bekleidungsindustrie, und in der Bekleidungs- und Textilindustrie sind meistens Frauen tätig. Weit über die Hälfte der Klamotten die Fusionist:innen am Leib tragen werden von den größten Textilproduzenten der Welt also in China, Bangladesh und Indien hergestellt und zwar von Frauen die dort in Sweat Shops, Industriekomplexen oder in Heimarbeit 14 h am Tag zu Hungerlöhnen ohne irgendwelche arbeitsrechtlichen Schutz für die Weltbevölkerung die Kleidung nähen. Wäre es nicht irgendwie sinnvoller bzw. würde es Frauen weltweit nicht mehr helfen das zu thematiseren ? Ich denke schon.
Wow, du bist noch nicht wieder gelandet?!
irrelevant
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

Beitrag von irrelevant »

Klobold hat geschrieben: Mi 3. Jul 2024, 19:04 Ich finds erschreckend wie hier miteinander kommuniziert wird. Der Post war vielleicht nicht der freundlichste, dann aber von "hirnlosem Geschwafel" zu sprechen oder dumme Vorurteile mit "geh nach Malle" zu bedienen ist weder progressiv noch feministisch noch "im Sinne der Fusion" - fehlendes Verständnis für das Festival wurde ja ebenfalls vorgeworfen.

Ich als Mann stelle mir tatsächlich die Frage, was da so grundlegend dagegen spricht. Ich möchte auch auf keinen Fall beim tanzen an fremde, nackte Oberkörper gedrückt werden, aber so wirklich verstehe ich nicht, wieso freie Oberkörper so verpöhnt sind. Wäre es nicht schöner, wenn Männer und Frauen gleichermaßen oberkörperfrei herumlaufen dürften? Anstatt es sozusagen umgekehrt zu lösen und es niemandem mehr zu ermöglichen.

Mag mich da jemand vielleicht mal aufklären? Ich bin ehrlich interessiert - wer aber nichts freundliches zu sagen hat darf es gerne einfach lassen. :P
Well put.
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irrelevant
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

Beitrag von irrelevant »

rauchhaus hat geschrieben: Mi 3. Jul 2024, 19:25 Hab ja schon gewartet, wann das Thema wieder kommt :D

Ich habe mich da vor ein paar Jahren, als ich es das erste Mal wahrgenommen habe, auch voller Unverständnis aufgeregt. Heute sehe ich das differenzierter - denke aber dennoch nicht, dass das der Weg ist, mit dem man das angestrebte Ziel erreichen kann. Ich verstehe es vollkommen, dass man in der Menschenmenge nicht unbedingt oberkörperfrei sein muss, auch nicht an den Bars, Verkaufsständen usw. Wenn aber genug Platz ist, sehe ich keinen wirklichen Grund, warum mein Körper jetzt verboten sein sollte.
Früher hatte ich mal einige Komplexe mehr mit meinem Körper und hab deshalb nie mein Shirt ausgezogen. Heute sieht der im Endeffekt genau so aus, wenn auch etwas älter, und ich hab deutlich weniger Probleme - gerade auch wegen der Erfahrung auf Festivals, dass ich okay so bin, wie ich bin. Das war auch bei den ersten Fusions so, aber irgendwann wurde mein Körper von anderen Leuten problematisiert und jetzt fühle ich mich damit auf dem Festival unwohl und trage deshalb ein Shirt, weil ich nicht wegen meiner Kleidung und meinem Geschlecht von anderen Leuten dumm angemacht werden will. Ironisch irgendwie, dass das gerade in einer Positivity-Ecke wie der Fusion passiert. Naja, tut ja auch nicht weh.
Das ist auch schade für Personen mit Busen, die gerne oberkörperfrei rumlaufen würden und das aber ausgerechnet auf der Fusion nicht können. In meinem Camp waren mehrere Frauen, die dort oberkörperfrei unterwegs waren und das in Lärz als eine Befreiung empfinden bzw. in der Vergangenheit mal so empfunden haben - dann aber für den Gang aufs Gelände ein Shirt anziehen. Nicht wegen potentieller Bedrohung durch Männer, sondern vor allem aus Angst vor Beleidigung und Stigmatisierung durch andere Leute, die auf die Bedeckung aller Körper auf der Fusion bestehen. Ich persönlich sehe darin eher eine Rückentwicklung, aber die Stimmen sind sehr laut und aggressiv, da steckt man lieber vorsichtshalber zurück. Das sahen auch eigentlich alle Frauen so, mit denen ich darüber gesprochen habe.

Was ich jedoch in jedem Fall für eine absolute Frechheit finde, ist dass man das mit aller Gewalt sogar auf den Toiletten durchziehen will. Gehts noch? Sanitäre Versorgung ist ein Menschenrecht und das wird einem ausgerechnet auf der Fusion aufgrund von Kleidung und Geschlecht verweigert?
Ich habe 2018 oder 2019 bei 36°C Außentemperatur und kurz nachdem leider jemand auf dem Fest (vermutlich im Zusammenhang mit Hitze) verstorben ist, leider nicht die Toiletten aufsuchen dürfen, weil mein Shirt bei meinen Freunden lag und ich leider sehr dringend musste. Dann wurde ich von einer Gruppe aus 5-6 weiblich gelesenen Personen aufs übelste beschimpft und weggeschickt. Zum Glück waren meine Freunde nicht weit und ich konnte mir mein Shirt schnell holen und die Notdurft verrichten. Habe mir da fast in die Hose gekackt und das wegen eines Shirts :roll: . Auf einem Klo, bei dem ich alleine in der Kabine sitze... Habe daraufhin mich für eine Weile neben die Schlange gestellt und allen oberkörperfreien Männern solidarisch mein Shirt angeboten.

Diesen Vorfall habe ich auch hier im Forum gepostet. Daraufhin kam folgende Passage im nächsten Newsletter:
# No shirt no problem
Nachdem „no shirt no service“ ja bereits im vergangenen Jahr Wellen
geschlagen hatte, ist es in diesem Jahr erneut zu großen Kontroversen
darüber gekommen. Neben Bars und Müllstationen hat sich das Thema auch in
andere Bereiche, wie beispielsweise zu einigen Toiletten getragen. Wir
respektieren, dass es einem Teil unserer mitarbeitenden Gruppen ein
Bedürfnis ist, mit dieser Kampagne Männerprivilegien zu thematisieren.
Wir wollen auch in diesem Jahr nicht aktiv in diese Diskussion einsteigen
und verweisen erneut auf die Auseinandersetzung im Forum
(viewtopic.php?f=34&t=26978&sid=a38fc815 ... 82b99200ea),
sowie unsere Stellungnahme aus dem letzten Jahr
(viewtopic.php?f=32&t=23285&sid=a38fc815 ... 80#p103946).

Was wir aber erwarten ist, dass die Grenzen von pädagogisch sinnvoller
Aufklärung in dieser Kampagne gewahrt bleiben. Wir sehen diese Grenzen
spätestens dann überschritten, wenn Männern ohne Shirt verweigert wird,
die Toilette zu benutzen oder ihren Müllbeutel abzugeben und das ihnen
zustehende Müllpfand dafür zu bekommen.

Wir fordern alle auf, diese Auseinandersetzung konstruktiv und Fusion-affin
zu führen, denn es sollte um Bewusstseinsarbeit gehen. Aggressive
Machtdemonstrationen sehen wir als Kulturkosmos hier nicht zielführend,
denn niemand muss Macker:in sein!

Edit: Möchte noch - weil gerade als unproblematisch beschrieben - darauf hinweisen, dass der Spruch "No Shirt, No Service" verdächtig nahe an "No Shoes, No Shirt, No Service" angelehnt scheint. Ein Spruch, der vor allem in den USA vor Restaurants und dergleichen stand, um der armen (vorwiegend schwarzen) Bevölkerung den Zutritt zu verwehren, nachdem das aufgrund der Aufhebung der Rassengesetze nicht mehr möglich war.
I'm sorry for that awful experience you had (and the rest of it, too). You handled it really great, though. And I agree -- the goal I for sure sign, but definitely not the means to it. Bans are IMHO NOT the way to go, but rather, normalization would be.
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Re: wohl politisch motivierter Übergriff von Frauen auf Mann

Beitrag von irrelevant »

Elfejana hat geschrieben: Do 4. Jul 2024, 09:58
reisender hat geschrieben: Do 4. Jul 2024, 09:12 Ich muss leider auch was beitragen:

Was ist passiert:
Ich laufe mit einem offenen Leinenhemd von der Insel auf das Gelände (vl in der Mitte 2 bis 5 cm offener Bereich). Eine Fahrradfahrerin kneift mir aus der Fahrt in meine Brust. Ich habe sie instinktiv festgehalten. Ich dachte das sei ein blöder Scherz aus meinem Bekanntenbereich. Eine zweite Frau kam auf dem Fahrrad dazu und beschimpfte mich, was ich mir erlauben würde. Ich war total überfordert und meinte, dass ich die andere Frau festgehalten habe, da diese mich angefasst habe. Dann ging es richtig los. Ich solle mich anziehen. Was ich mir erlauben würde... Ich habe die Frauen dann weiterfahren lassen.

Ich kann es nur vermuten, aber es wirkte so, als ob die zwei Frauen auf der Jagd waren.

Warnung:
Mein Unterbewusstsein hat instinktiv gehandelt. Das hätte auch anders laufen können.

Was ich gefühlt habe:
Im ersten Moment ging ich von einem schlechten Scherz aus. Danach war ich verunsichert und der Rest des Abends war im Prinzip gelaufen. Auch im Laufe der restlichen Fusion musste ich immer wieder daran denken. Das war extrem unangenehm für mich.

Mein Statement:
Das Frauenbrüste und Männerbrüste im Regelfall unterschiedlich wahrgenommen werden, ist klar. Das sich Frauen überlegen, wie sie damit umgehen ist auch normal. Das sich Männer solidarisch zeigen ist wollen, ist doch gut. Das ich gezwungen werde, mich so zu verhalten, finde ich problematisch. Das Abkleben ist für mich eine Fokussierung und keine Lösung. Wer das machen möchte, bitte schön.

Was hier konkret passiert ist, geht extrem zu weit. Das macht mir jetzt noch ein scheiß Gefühl.
Ja, das ist ein Übergriff und eine massive Grenzüberschreitung. Und dann oben drauf dich auch noch in ein Unrechtsgefühl reindrängen wollen. Richtig miese Aktion, auf dem Fahrrad dann noch schnell wegfahren können...
Tut mir leid. Deine Kleidung war nicht schuld, sondern diese verdrehten Köpfe (kein Schimmer wie die sich rechtfertigen wollen) und die Aggression und Gewalt dieser beiden Frauen.

Das war gewaltvoll und hätte nicht passieren dürfen.
Agree. Sorry about your experience.
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

Beitrag von irrelevant »

moon hat geschrieben: Do 4. Jul 2024, 10:53 Was mich an dieser Debatte mal wieder am meisten erschreckt, ist die Inbrunst, mit der manche hier im Forum andere für "unerwünscht" oder "fehl am Platz" erklären, nur weil sie eine andere Auffassung zu No-Shirt-No-Service vertreten.

...
Yes to all. And I'm sorry to those who disagree, but I simply can't see it any other way. The arguments are just invalid.
Zuletzt geändert von irrelevant am Di 9. Jul 2024, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

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ilitsch hat geschrieben: Do 4. Jul 2024, 13:08 Was ich im übrigen an dieser Debatte schon immer im wahrsten Sinne des Wortes als richtig traurig empfunden habe ist folgendes: "Keep your Shirt on" als Forderung verweist für mich indirekt auf die Bekleidungsindustrie, und in der Bekleidungs- und Textilindustrie sind meistens Frauen tätig. Weit über die Hälfte der Klamotten die Fusionist:innen am Leib tragen werden von den größten Textilproduzenten der Welt also in China, Bangladesh und Indien hergestellt und zwar von Frauen die dort in Sweat Shops, Industriekomplexen oder in Heimarbeit 14 h am Tag zu Hungerlöhnen ohne irgendwelche arbeitsrechtlichen Schutz für die Weltbevölkerung die Kleidung nähen. Wäre es nicht irgendwie sinnvoller bzw. würde es Frauen weltweit nicht mehr helfen das zu thematiseren ? Ich denke schon.
Great point!
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Re: Oberkörperfrei die Hundertste

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Technical issue (?)
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Re: wohl politisch motivierter Übergriff von Frauen auf Mann

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Technical issue (?) 2
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