Resümee - letztes Mal Fusion

Nön
Beiträge: 6
Registriert: Mo 23. Aug 2021, 12:19

Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Nön »

Hey Fusion,
frisch geduscht sitze ich wieder auf meinem Sofa und resümiere das diesjährige Fest. Die Vorfreude war unglaublich, sich endlich wieder frei fühlen, sich fallen lassen, den Akku aufladen.
Was du mir dieses Jahr bieten solltest, war das beste Line Up der letzten Jahre und 5 Tage Unbeschwertheit.
Die Realität sah anders aus. Du hast deine hässliche Fratze gezeigt.
Alles, wofür ich dich liebte und was ich von dir lernen durfte, war verschwunden. Der allgemeine politische Konsens war verpufft, mein großer Safe Space aufgelöst. Statt solidarischer, rücksichtsvoller Menschen erlebte ich eine aufgeheizte, unangenehme Stimmung, Egoismus, Exzess und Rücksichtslosigkeit.

Weiße Dreadlockmänner trugen ausladenden, (vermeintlich) indigenen Kopfschmuck (aber kein Shirt!), Nationalflaggen schienen kein Problem mehr darzustellen. Flinta mussten sich bei Konzerten gegen Raum einnehmende Männer behaupten, wenn sie einen guten Platz ergattern oder ihren Platz behalten wollten. Die Band Meute berichtete über rassistische Übergriffe auf ein PoC-Bandmitglied während des Festivals. Der Ticketpreis und das neue Nichtpfandsystem führte zum Ausschluss vulnerabler Personengruppen, für anderes Klientel wirkte er wohl noch "exklusiver" - im wahrsten Sinne des Wortes - ergo "wertvoller". Ohne Rücksicht auf die Privatsphäre anderer wurde hemmungslos für instagrammable Fotos und Videos posiert - obwohl es dazu klare Richtlinien auf dem Gelände gibt.

Die Pandemie hat bei vielen wohl die allgemein so hoch gelobte Solidarität ausgereizt, jeder möchte jetzt endlich "wieder durchstarten". Wie das andere Anwesende betrifft, scheint völlig egal.

Die Entwicklung war schon länger zu beobachten, dieses Jahr war der Gipfel.
Schade, dass wir uns nicht in dieselbe Richtung entwickeln konnten.
Zum ersten Mal freute ich mich mehr auf Zuhause als auf den nächsten Konzertabend, zum ersten Mal war mein Akku hinterher leerer als vorher.

Danke für 12 Jahre Halt geben, politisches Selbstverständnis formen und nicht zuletzt den von mir geliebten Eskapismus und die Utopie einer besseren, solidarischen Gesellschaft.
Auch, wenn du sie selbst nicht mehr verkörpern kannst.
#solidarityisntjustaword
#seitpalapagingsbergab
#trennungsschmerz
EliteKlabauter
Beiträge: 43
Registriert: Mi 24. Jun 2015, 21:06

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von EliteKlabauter »

Lustig finde ich, dass ich am Anfang der Pandemie schon gesagt habe, dass sich die Natur natürlich sehr schön regenerieren kann. Die Menschen können sich sammeln und inne halten. Und alles wird mal n wenig runter gefahren. Im gleichen Atemzug meinte ich jedoch auch zu Freunden... Passt auf wenn alles wieder i.O. ist, dann gehts erst richtig los weil alle denken Sie könnten was verpassen.

Man kann nur hoffen, dass es nächstes Jahr wieder gedämpft ist. Jedoch wird das auch nur passieren wenn man den Leuten den Spaß nicht wieder nimmt. In Form von Politischem Hausarrest oder sonst nem Quark.

Das was du beschreibst ist nicht nur auf der Fusion zu beobachten wie es scheint. Ich kann mir darüber dieses Jahr auch kein Bild machen, weil ich nicht da war. Aber ich hoffe sehr, dass sich alles schnell wieder legt. <3

Ich schreibe die Fusion jedenfalls noch nicht ab und werde schauen ob ich für nächstes Jahr eine Karte bekomme.
fwmeh
Beiträge: 8
Registriert: Mo 4. Jul 2022, 00:31

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von fwmeh »

spannend! in der rückschau mit freunden war das auch einer unserer hauptpunkte: eine gewisse grobheit war da, eine, die unserer meinung nach so vor 3 jahren nicht zu sehen war.

beim tanzen ging es mir ähnlich wie dir. ich weiss allerdings nicht, ob es besser/schlechter/gleich ist.

ansonsten habe ich persönlich die geschlechterkomponente nicht so stark wahrgenommen.3 mal kam es vor, dass ich, obwohl an der seite stehend, angerempelt wurde, ohne dass ein Entschuldigung kam (im gegenteil, es war eher der 'was stehst du mir im weg' vibe), 2x waren es frauen, 1x ein mann. ich fande auch, dass mehr vorgedrängeld wurde als noch 2019.

ätzend fande ich im übrigen auch die handys überall; das empfinde ich als sehr eindringend und würde mir eine positionierung vom KK wünschen. und ich fande das viel schlimmer als noch vor 3 jahren. aber auch hier hatte ich persönlich keine geschlechterkomponente beobachten können.

und da bleibt die frage: ist das alles etwas grober geworden, oder bin ich empfindlicher geworden (oder beides).
waldzwölf
Beiträge: 43
Registriert: Mi 4. Jul 2018, 15:15

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von waldzwölf »

Habe ich selbst genau Gegenteilig erlebt.

Seit Jahren (seit 2018 mindestens) mal wieder eine rundum schöne Fusion: wenig Fotos und Videos in meiner Umgebung aufgenommen, überaus freundliche Menschen weit und breit, allgemeine Offenheit, Solidarität, ein tolles Programm. Es hätte expliziter politisch sein können - das stimmt. Das wäre allerdings mein einziger Kritikpunkt.

Bei mir hat sich nicht ein einziges Mal jemand vorgedrängelt oder mir „Raum weggenommen“ - und ich bin demgegenüber normalerweise hochgradig empfindlich. Klar gibt es mal unfreundliche Kokser, aber die gibt es immer und überall (und die machen auch vor der Fusion keinen Halt).

So eine Generalkritik könnte ich definitiv nicht unterschreiben! Die Fusion ist meiner Meinung nach in ihrer vollen Pracht erblüht!
Joineken
Beiträge: 7
Registriert: Mi 25. Jun 2014, 19:40

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Joineken »

Ich kann meinem Vorredner nur zustimmen, für mich war es wohl tatsächlich die schönste Fusion von meinen fünf seit 2014.

Schade, dass der Threadersteller sie so negativ erlebt hat. Kommt wohl aufs persönliche Empfinden und auf den Zufall an, ich hab zumindest sehr wenig nerviges Verhalten miterlebt und einige tolle Leute kennengelernt. Mir ist nie jemand zu nah gekommen oder sonst was, ich hatte generell das Gefühl dass die Leute sehr viel Rücksicht aufeinander genommen haben und ich hab mich nie unwohl gefühlt, auch in unserer Crew niemand, im Gegenteil.

Ach und lasst die Leute doch einfach rumlaufen wie sie wollen mir komplett unverständlich dass man sich darüber beschweren muss was andere an haben oder eben nicht anhaben. Ja, es gab viele Kerle ohne Shirt aber es war halt auch einfach heiß und viele haben es sich für die Bar immer wieder drüber gezogen. Dafür gab es auch mehr Personen mit weiblich gelesenen Körpern die sehr freizügig unterwegs waren. Können wir bitte bitte einfach allen erlauben so nackt rumzulaufen wie sie wollen und nicht wieder damit anfangen Leuten vorschreiben zu wollen was sie je nach Gender zu tragen haben?

Peace und bis zum nächsten Mal. Es war wunderschön mit euch!
nha
Beiträge: 9
Registriert: Sa 30. Jun 2018, 22:00

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von nha »

Posieren für Instagram oder Nationalflaggen habe ich kein einziges Mal gesehen. Aber das Festival ist auch zu vielseitig, als dass man so etwas allgemein sagen kann.
Bolle2019
Beiträge: 42
Registriert: Do 20. Jun 2019, 22:31

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Bolle2019 »

Kann die Kritik auch nicht ganz nachvollziehen, aber jeder hat ja auch seine eigene Wahrnehmung und ganz eigene Erfahrungen gemacht.

Anrempeln und im Weg stehen hab ich in erster Linie nur bei K.I.Z. mitbekommen - aber da war es auch wirklich hart voll und die gesamte Stimmung ein wenig auf Eskalation ausgelegt. Hat mir nicht gefallen, daher bin ich halt weg gegangen. Woanders war es trotz vollem Floor (zB an der Turmbühne) eher lässig.

Zu den Handys: im Vergleich zu anderen Veranstaltungen konnte ich die wirklich nur vereinzelt wahrnehmen. Ich gebe aber zu, dass ich auch selbst hin und wieder mal mein Handy rausgeholt habe und ein paar Eindrücke der Floors für Freunde daheim festzuhalten. Ich sehe hier kein Problem solange es keine Übermaße annimmt, niemand ungefragt frontal aufgenommen wird oder das Material öffentlich bei YouTube und co verbreitet wird. Von einem Podest aus über die Hinterköpfe der Masse hinweg Sound und Lichteffekte privat festzuhalten finde ich in Maßen persönlich ok.

Nationalflaggen: lediglich eine einzige Palästinaflagge gesehen, die auf den Floor geschwenkt wurde. Sonst nirgendwo auf dem Festival. Finde auch das nicht besonders schlimm, jedoch kann ich mir auch gut vorstellen, dass da viele mit zweierlei Maß messen - a la „Deutschlandflagge geht gar nicht, Palästina ist aber ok, weil es ja ein politisches Statement beinhaltet“. Ähnlich auch die Situation, dass am Eingang YPG Flaggen ausgeteilt werden. Glaube auch damit kann sich der ein oder andere Gast genauso provoziert fühlen. Dann doch bitte echt gar nichts der gleichen mehr.

Und zur Kleidung, Kopfschmuck oder Frisuren: lasst die Leute doch bitte so herumlaufen wie sie möchten. Ob mit Dreads oder mit Iro, mit freien Nippeln, komplett nackt oder im Ganzkörperkondom. Ich vermute mal dass der Großteil der Gäste sich weder an dem einem noch an dem anderen stört. Diversity ist doch eine gute Sache und oftmals werden einfach Probleme geschaffen und irgendwo hereininterpretiert, die von der Mehrheit der Leute einfach gar nicht als solche erkannt werden.
Kolibriiiii
Beiträge: 4
Registriert: So 3. Jul 2022, 18:55

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Kolibriiiii »

Ich muss mich leider dem TE anschließen und bin ebenfalls von der diesjährigen Fusion sehr enttäuscht. Meiner Begleiterin geht es gleichsam und wir überlegen auch beide, nächstes Jahr nicht mehr an der Verlosung teilzunehmen.

Mein Hauptproblem war vor allem, dass man trotz 40 Floors nirgendwo in Ruhe tanzen konnte. Ich wurde alle zwei Minuten angerempelt, meist von Gruppen, die schnell in die Mitte eines Floors gerannt sind, nur um dann kurze Zeit später und teilweise auch nach einem Gruppenselfie wieder rauszutorkeln. Überall wurde laut geredet, so dass ein komplettes Einlassen auf die Musik für mich nicht möglich war.

Wir haben versucht, das durch die Umgehung von Stoßzeiten wie beispielsweise Freitag 22-2 Uhr und Ausloten aller möglichen Platzierungen auf den Floors zu umgehen. Doch egal zu welcher Uhrzeit und wo auf dem Floor, dem Anrempeln, dummen Anlabern ("Ey, hast du das alles ausgetrunken, Respekt hihihi" neben einem Glashaufen) und ständigen Gerede war nicht auszuweichen. Ich tanze meist mit geschlossenen Augen, schade, dass das als Zeichen nicht gestört zu wollen nicht ausreicht.

Meine Begleiterin hat an der Turmbühne zweimal einen Ellenbogen abbekommen - und das, obwohl wir uns extra im äußeren Ring, einige Meter von den nächsten Menschen weg, positioniert haben. Da gabs auch kein sorry, da die Person das entweder nicht bemerkt hat oder es ihr scheißegal war.

Ich fand es erschreckend, wie viele Menschen unachtsam gegenüber ihren Mitmenschen sind. Viele wirkten so, als hätten sie sich so stark weggeballert, dass sie einfach nichts mehr um sich herum mitbekommen.

Vermutlich ist dieser Fraktion nicht bewusst, dass sie das Festival damit anderen Menschen verleidet und für ein unsicheres Gefühl sorgt. Auf mich wirkt die diesjährige Fusion stark gentrifiziert. Das Motto „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“ tritt immer stärker in den Hintergrund und der persönliche Egoismus der gefühlt dominierenden Koks-plus-Alkohol-Fraktion in ach so witzigen Outfits in den Vordergrund.

Auch sichtbar an so Kommentaren wie, dass die breite Masse sich nicht an freien Nippeln stört bei gleichzeitigem Gerede von Diversity. Sorry, aber du hast es leider nicht verstanden und nimmst billigend in Kauf, dass die Gruppierung, die sich an freien Nippeln stört, durch deinen Verhaltensvorschlag einfach komplett verdrängt wird.

So mutiert die Fusion zur Airbeat One (siehe auch der Dj, welcher die Menge am Trancefloor zwischen den Tracks zum Applaudieren aufgefordert hat, was war da eigentlich los...) oder dem nächstbesten Dorffest. Sehr schade, insbesondere, da einige Dekos und Anlagen wunderschön und fett waren.

Die Fusion-Gentrifizierung ist vermutlich auch der starken PR 2019 geschuldet. Ich sehe keine Lösung für das Problem, da es - anders als in guten Clubs - keine Tür gibt. Aber an dieser Stelle wollte ich das zumindest mal loswerden.
Wunderbernd
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Registriert: Di 26. Jun 2012, 20:46

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Wunderbernd »

Also ich persönlich muss sagen, dass man schon eine klare Veränderung des Publikums und der allgemeinen Festivalkultur erkennt. Ich war 2009 das erste mal auf der Fusion (noch für 30 Euro, mit Arbeit umsonst :lol: ) und damals war das Publikum viel politischer und alternativer als heute. Man merkt halt auch die Einflüsse von den sozialen Medien und die Generation "Instagram" ;) , da möchte man unbedingt auffallen und sich besonders herausputzen, fand das dieses Jahr schon besonders auffällig ;) . Es entwickelt sich halt immer mehr zu einem guten "Partyfestival" und das Politische verliert an Bedeutung. Kommt halt darauf an was man an der Fusion gemocht hat und was man lieber mag.
enfantfou
Beiträge: 65
Registriert: Di 5. Jul 2011, 10:41

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von enfantfou »

Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen doch sind! Ich fahre seit 12 Jahren auf die Fusion und war dieses Jahr zum ersten Mal alleine da, weil meine gesamte übliche Crew entweder verhindert war oder Lospech hatte. Und ich muss sagen: Es war eine meiner Schönsten! Ich bin von so vielen mir vorher nicht bekannten Menschen unvoreingenommen und voller Herzlichkeit in deren Crews integriert worden - damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich war keinen Moment alleine. Und das ist es, was für mich die Fusion ausmacht: Menschen, die voller Offenheit aufeinander zugehen. Daran hat sich für mich in all den Jahren nichts geändert. Vereinzelte Druffi-Rempeleien und unangemessene Fotografiermomente gab‘s auch, das ist m.E. aber ebenfalls nichts Neues.
Versteht mich nicht falsch, ich will eure negative Erfahrung nicht kleinereden! Aber einen Trend kann ich da nicht erkennen. 70‘000 Menschen - 70‘000 unterschiedliche Erfahrungen, darauf läuft‘s wahrscheinlich eher hinaus. Dass da Positives wie Negatives dabei ist, ist klar.
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